Freiheit ist die einzige, die fehlt

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14.04.2011 11:11

Nachdem unsere Nachbarn, die Schweizer, bereits vor anderthalb Jahren in einer Volksabstimmung zum Verbot von Minaretten einer unterschwelligen Fremdenfeindlichkeit indirekt Ausdruck verliehen, haben die Franzosen bzw deren Medienregierung nun noch eine Schippe drauf gelegt. Denn seit letztem Montag ist ein Gesetz in Kraft, dass die Vermummung des Gesichts unter Strafe stellt.

Die Medienberichterstattung konzentriert sich dabei fast ausschließlich auf die Auswirkungen auf die Burka oder andere Verschleierungen tragenden Musliminnen. Meist wird das Gesetz daher kurz als Burka-Verbot bezeichnet und das Ziel ausgegeben, dass niemand mehr dazu gezwungen werden soll, sich in der Öffentlichkeit zu vermummen. Diese einseitige Darstellung und Konzentration auf ein Feindbild, mit dem vermutlich ein Großteil der Franzosen einverstanden ist, geht jedoch vollkommen am Problem vorbei. Im Gesetz steht weder etwas von Islam, noch von Burkas oder sonst eine Einschränkung der Zielgruppe. Vielmehr sind alle Franzosen davon betroffen und damit gibt es eine Verschiebung innerhalb der drei berühmten Grundsätze der französischen Revolution und der aktuellen Republik (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), die über eine erzwungene Anpassung und Gleichmacherei dazu führt, dass die Freiheit aller Bürger eingeschränkt wird.

Dies erinnert fatal an das Problem Sperren statt Löschen aus unseren Landen. Auch dort sollte über ein Feindbild (Kinderpornographie) die Freiheit aller Deutschen mittels Zensur des Internets eingeschränkt werden, während die eigentlichen Straftäter (Produzenten, Hoster) nicht betroffen waren. Bei den Franzosen kann ebenfalls ein guter Wille unterstellt werden, nämlich dass Frauen von ihren Männern nicht mehr dazu gezwungen werden können, in der Öffentlichkeit nur komplett verschleiert aufzutreten. Doch ein Verbot bekämpft nur die sichtbaren Auswirkungen, nicht die Ursachen des Problems. Denn wenn eine Frau sich dermaßen dem Patriarchat unterordnet, dann wird sie zukünftig das Haus gar nicht mehr verlassen, d.h. ihre Freiheit wird weiter eingeschränkt und der Zugang zu einer Gesellschaft der Gleichberechtigung erschwert; die Frauen werden letztendlich aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Außerdem wird vollkommen außer Acht gelassen, dass es durchaus Frauen geben kann, die sich aus freiem Willen der Interpretation ihrer Religion anschließen, ihren Körper in der Öffentlichkeit nicht offen zur Schau zu tragen.

Das westliche Bild der Frau wird also kritiklos allen übergestülpt und aufgezwungen, worin sich wieder die latente Angst der Europäer äußert, ihre in engen Grenzen definierte Kultur zu verlieren. Doch gerade die für alle offene Gesellschaft ist ein wichtiger Teil dieser Kultur und droht aus Angst vor Veränderungen verloren zu gehen. Und wenn demnächst auf Demonstrationen oder im videoüberwachten öffentlichen Raum niemand mehr sein Gesicht vor dem Staat verdecken darf, dann werden die Franzosen hoffentlich erkennen, dass es auch ihre Freiheit ist, die das Gesetz einschränkt.