Alexander
USA/UK (2004) Regie: Oliver Stone Darsteller: Colin Farrell / Jessie Kamm / Connor Paolo (Alexander), Jared Leto / Patrick Carroll (Hephaestion), Angelina Jolie (Olympias), Anthony Hopkins / Elliot Cowan / Robert Earley (Ptolemäus), Rosario Dawson (Roxanne), Val Kilmer (Philip), Gary Stretch (Cleitus), John Kavanagh (Parmenion), Nick Dunning (Attalus), Joseph Morgan (Philotas), Denis Conway / Peter Williamson (Nearchus), Jonathan Rhys-Meyers / Christopher Ferris (Cassander), Ian Beattie (Antigonus), Brian Blessed (Leonidas), Raz Degan (Darius), Christopher Plummer (Aristoteles) und andere Eurasier Offizielle Homepage
Er war der größte Eroberer der Weltgeschichte: Alexander der Große. In nur 33 Lebensjahren eroberte er den Großteil des damals bekannten Europa und Asien, blieb auf dem Schlachtfeld ungeschlagen und verstarb schließlich in Babylon jung an einer Krankheit…
Nach Ausflügen in alle möglichen Genres des Kinos ist Oliver Stone nun beim Sandalenfilm angelangt, der seit “Gladiator” ein Revival feiert. Mit Alexander behandelt er zudem einen Stoff, der geschichtlich durch vergleichsweise viele Dokumente belegt ist und so durchaus als Biografie durchgeht. Entsprechend verließ sich Stone auch auf die Vorgaben und änderte nur wenige Details. Doch leider kann der Film trotz des spannenden Lebens von Alexander dem Großen nicht überzeugen, und das hat mehrere Gründe.
Eine wichtige Fehlentscheidung gleich bei der Besetzung ist leider ausgerechnet der Hauptdarsteller. Colin Farell kann zu keinem Zeitpunkt dem Zuschauer näher bringen, dass er einen charismatischen Feldherren spielt, der seine Truppen ungeschlagen um die halbe Welt führte. Dies liegt zwar auch an der Inszenierung des Charakters durch den Regisseur, aber Colin Farell’s introvertierte Darstellung lässt nicht die Kraft erkennen, mit der Alexander schon in der Jugend seine Gegner bezwang und wegen der er später auf dem Schlachtfeld stets siegreich bleiben sollte. Deutlich positiver fällt dagegen die besetzung der Eltern Alexanders aus. Sowohl eine gut aufgelegte Angelina Jolie in der Rolle der Olympia als auch Val Kilmer als Vater Philip wissen zu gefallen. Alle anderen Rollen treten bei der Menge der Gefährten Alexanders dagegen etwas in den Hintergrund - bis auf den gealterten Ptolemäus, den Anthony Hopkins leider nicht über die schwach angelegte Rolle hinweg helfen kann.
Damit zeigt sich ein weiterer Schwachpunkt des Filmes: Oliver Stone traut dem Zuschauer keine eigenen Schlüsse zu und lässt darum Alexander von seinem gealterten Begleiter Ptolemäus als den großen Menschen beschreiben, den man in den Bildern leider nicht sieht. Dass darum viel zu viel sinnentleert geschwafelt wird zerrt ganz schön an den Nerven der Zuschauer - die 3 Stunden Länge hätten ohne Probleme um eine Stunde gekürzt werden können. Noch dazu sieht man während der Reden von Ptolemäus nur ständig die selbe Ägypten-Kulisse mit ihm und seinen Dienern, was mich doch sehr gelangweilt hat. So macht “Alexander” mehr den Eindruck eines Hörspiels als eines bildgewaltigen Filmes.
Generell versucht sich Stone mit einer echten Holzhammerpsycholgie an dem Charakter Alexander. Immer an den wichtigen Stellen werden die Kommentare der Mutter eingespielt, die angeblich den Großen Alexander um die halbe Welt getrieben haben; und sogar seine Gemahlin Roxanne soll als Schlangenfrau den Ödipusskomplex befriedigt haben. Für die prüde neue Welt gibt es auch nur eine Hetero-Sexszene, während die schwulen Beziehungen Alexanders nur angedeutet werden. In dieser Hinsicht ist zumindest das Ende eindeutig, als Alexander bei seinem Tod den Ring seines Geliebten fallen lässt - leider viel zu klischeehaft aufbereitet.
Die Motivation Alexanders, die halbe Welt zu erobern, wird im Film mit der Flucht vor der Mutter und dem schweren Erbe als angeblicher Nachfahre des Achilles begründet. Die Fortführung des Lebenswerkes des Vaters wird vollkommen außer Acht gelassen; sogar der Kampf gegen die Perser wird auf eine persönliche Rache an Darius reduziert. Dass Alexander vorher schon Jahre gegen die Perser kämpfte und zwischendurch noch Ägypten eroberte, wird nur in einer Randnotiz erwähnt. Auch so unterhaltsame Überlieferungen wie das Zerschneiden des Gordischen Knotens und das Besuchen des Orakels von Siwa, die ja zumindest Alexanders Vorstellungen verdeutlichen, werden höchstens am Rand erwähnt. Stones Auswahl an Ereignissen ist so für den Zuschauer nur schwer nachvollziehbar. In einem Augenblick ist Alexander noch ein Halbwüchsiger, der vom Vater verstoßen wird, und nach einer kurzen Überleitung plötzlich König der Griechen, Perser und Ägypter. Wie soll da ein Zuschauer ohne Alexander-Grundwissen der Geschichte folgen können? Danach wird die Erzählstruktur zwar deutlicher und die Sprünge weniger riesig, aber trotzdem fehlt dem Film die klare Handschrift.
Einen weiteren Fehler begeht Stone in der obligatorischen großen Schlacht. Dass diese mitten in der Wüste stattfindet mag ja authentisch sein, für den Zuschauer ist es jedoch eine Zumutung. In der Ansicht des den Kampfplatz überfliegenden Adlers sind die Linien der Gegner kaum vom sandigen Untergrund zu unterschieden, und mit Beginn der Schlacht wirbeln die Krieger so viel Staub auf, dass der Zuschauer von dem ohnehin zu schnell geschnittenen Getümmel (man sieht nur noch einzelne Körperteile und viel Blut) kaum etwas erkennen kann. Wenigstens wird der Nutzen dieses Umstandes für Alexander verdeutlicht, aber ansonsten bekommt der Zuschauer von der Genialität des Schlachtherren nicht viel mit. Alexander steht auf der Karte, erklärt sein Konzept, und alle seine Gefährten zweifeln nur daran. Kein Wunder dass der Zuschauer ebenfalls nicht überzeugt ist.
Die zweite Schlacht kurz vor dem Ende kann degegen schon besser gefallen. Zum Einen macht die ungewöhnliche Dschungelkulisse Indiens und die gute Darstellung der im Waldkampf unerfahrenen Kämpfer Eindruck, zum Anderen sind die Kampfelefanten sehr überzeugend eingebunden. Nur der seltsame Rotschleier nach Alexanders Verletzung passt nicht ganz ins Bild, da sie zum Einen die einzige optische Spielerei des ganzen Films darstellt und auf der anderen Seite auch nicht die Beobachtungen des Verwundeten zeigt, sondern meistens Totalen. Da ist wohl zum einzigen Mal der Künstler in Oliver Stone ausgebrochen.
Ansonsten ist die Ausstattung sehr erfreulich. Der Zuschauer sieht schöne Landschaftsaufnahmen und ein recht faszinierendes, buntes Babylon mit seinen hängenden Gärten. Auch das antike Griechenland wirkt sehr überzeugend, so dass der Film wenigstens hier punkten kann.
Fazit: Oliver Stones Ausflug in das Genre der Sandalenfilme ist kolossal gescheitert. Zwar kann er mit geschichtlicher Genauigkeit und einer guten Ausstattung punkten, aber ansonsten misslingt ihm fast alles. Vom Hauptdarsteller über die Auswahl der Szenen und die Erzählweise bis hin zu der misslungen dargestellten Schlacht gegen die Perser reicht die Liste der groben Fehler, die den Film zu einem dreistündigen Langeweiler machen.