Shadowmarch - Die Grenze

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Published

18.09.2005 20:48

von Tad Williams, erschienen bei Klett-Cotta, ISBN 3-608-93717-X, 26,50€

Durch Zufall bin ich 2004 in einem Buchladen auf die Buchreihe Das Geheimnis der großen Schwerter gestoßen (für wenig Geld) und war fortan fasziniert von dieser Fantasywelt. Die Bücher wussten mich so zu fesseln, dass ich fast nicht für eine wichtige Prüfung gelernt hätte. Erst später habe ich mich etwas über den Autoren erkundigt und festgestellt, dass er ebenfalls der Verfasser von Otherland ist, einer fantastischen Science-Fiction-Buchserie (die ich mir demnächst mit dem Erscheinen als Taschenbuch auch zulegen werde). Doch inzwischen hat er sich wieder der Fantasy zugewandt und einen neuen Zyklus gestartet: Die Shadowmarch-Trilogie (näheres zu dem Projekt Shadowmarch findet sich auf der deutschen Homepage des Autoren und der Projektseite). Warum man diese nicht als Schattenmark übersetzt hat und ob es überhaupt bei drei Bänden bleibt (die Osten-Ard-Reihe sind im Original auch nur drei Bücher, in Deutschland aber vier), weiß ich nicht. Auf jeden Fall habe ich auf die deutsche Ausgabe gewartet, weil ich die Qualität englischer und amerikanischer Bücher nicht leiden kann - die Seiten sind meist so dünn, dass sie schon durch den Schweiß der Finger beim Lesen durchscheinend werden wie Butterbrotpapier.

Nun aber zum Inhalt des Buches. Der Beginn verläuft etwas ernüchternd, denn alles erinnert sofort an Osten Ard: Die von den Menschen vertriebenen Elben, die Festung als zentraler Punkt der Handlung, die Völker unter der Erde und auf dem Wasser, und sogar die Einleitung mit der Vorgeschichte aus der Feder eines Gelehrten. Doch ziemlich schnell muss der Leser dann feststellen, dass doch einiges anders ist als erwartet. Das fängt schon damit an, dass der Gelehrte aus der Einleitung im weiteren Verlauf des Buches nur zweimal in einem Nebensatz erwähnt wird und nicht weiter auftaucht. Auch die scheinbar bekannten Völker unterscheiden sich deutlich von der Vorbildern: Waren die Steinmeister aus Osten Ard künstlerische Elben, so sind es nun kleine, fleißige Arbeiter. Die Elben dagegen, hier Qar genannt, sind diesmal nicht das schöne Volk, sondern scheinbar eine Ansammlung von schrecklichen Kreaturen, die in einem düsteren Nebel leben und mit allerlei Monstern an ihrer Seite in den Krieg gegen die Menschen ziehen (was allerdings auch an die Nornen erinnert).

Doch Williams neue Welt “Eion” besteht natürlich aus mehr als nur Variationen seiner ersten Fantasy-Saga. Faszinierend ist wieder das Geflecht aus den unterschiedlichsten Personen, die alle eigene, dem Leser verborgene Ziele verfolgen. Selbst die handlungstragenden Personen wie Briony und ihr Bruder Barrick, der Hauptmann Vansen, Chert Blauquartz oder der Doktor Chaven enthüllen ihr Wissen über die Geschichte nur nach und nach dem Leser. Das diesmal aber mehr Akteure die Handlung vorantreiben ist aus meiner Sicht positiv zu sehen, selbst wenn der Autor manchmal an den spannensten Stellen die handelnde Person wechselt.

Die überraschendsten Momente sind aber die, an denen der Autor geschickt die Erwartungen der Leser widerlegt. So ist die Aufklärung des Mordes an Kellick ein großer Schock, da der Dämon so gar nicht in die bisher beschriebene Welt passen will. Auf der anderen Seite scheint es auch neben den Elben noch viel seltsamere Mächte zu geben, wie den “Hellen Mann” unter der Burg, die Eule aus Chavens Spiegel oder das Wesen, welches nach Quinnitan in ihren Drogenzuständen greift. Ob dies nun die oft zitierten Götter der verschiedenen Völker sind (Tad Williams hat hier eine ganze Schar indvidueller Götter inklusive verschiedenster Schöpfungsmythen geschaffen) und wie dies alles mit den Qar zu tun hat, wird noch nicht geklärt. Ebenfalls bleibt unklar, wieso die Elben den Jungen Flint mit dem Spiegel zu dem “Hellen Mann” schicken und der Spiegel später zu einer Waffenruhe führt (ganz abgesehen von den einleitenden, wirren Sätzen aus dem Knochenorakel der Qar).

Nun gut, auf die Auflösungen muss ich als Leser wohl bis zum (mindestens) dritten Buch warten. Insgesamt hat mir der Auftakt der Shadowmarch-Reihe aber gut gefallen. Es gibt viele, interessante Personen und Handlungswendungen; und die Spannung wird sicher auch die nächsten Teile durchhalten. Auf der anderen Seite ist die Grundstruktur der Geschichte altbekannt: Eine stabile Situation wie die des Königreiches Südmark wird nach und nach zerstört und ins Chaos geführt, während Personen die Handlung übernehmen müssen, denen es wie dem Leser an dem nötigen Wissen fehlt.

Wem jedoch die Osten-Ard-Reihe gefallen hat, wird auch Shadowmarch mögen und so verschlingen wie ich. Schade nur, dass ich jetzt so lange auf die nächsten Teile warten muss…