Declare

gelesen
Published

22.01.2008 21:56

von Tim Powers, erschienen bei HarperTorch, ISBN 978-0-380-79836-0, 5,42€

Um zu erzählen, wie ich zu meinem ersten Buch von Tim Powers gekommen bin, muss ich ganz weit ausholen. Meine frühen Fantasy-Erfahrungen mit Terry Pratchett waren unweigerlich mit den tollen Covern von Josh Kirby verbunden, dessen Grafiken mich auch auf anderen Büchern anzogen. Dies war vermutlich auch die Intention von Heyne, die gerne auf ihren Buchfronten nicht zum Inhalt passende Bilder packten, und dieses Verfahren auch bei Tim Powers einsetzten. Doch zugegriffen zu dem in Deutschland als zwei Taschenbücher erschienenden Das Blut des Königs (Dionysos erwacht & Der Fischerkönig) habe ich erst, als ich sie zusammen für 3,- DM bei Kaufhof in Leipzig entdeckte (ja, damals haben sich Bücherwühlkisten noch gelohnt!).

Das Buch mit der skuril-innovativen Mischung aus Wein, Erdbeben, Voodoo und einer parallelen Götter- und Totenwelt hat mich sofort fasziniert, doch weitere Werke des Autoren sind mir nie aufgefallen, wenngleich ich auch nie aktiv danach gesucht habe. Dann entdeckte ich letztes Jahr eine Rezension von Declare auf einer deutschen Website und schlug kurz danach aufgrund des Ramschpreises beim amerikanischen Taschenbuch zu. Mittlerweile ist ein weiteres Werk von Powers (Die Tore zu Anubis Reich) wieder in Deutschland erhältlich, doch nach Declare werde ich erst einmal eine Pause einlegen. Warum will ich kurz erläutern.

Andrew Hale ist ein Agent im Dienste des englischen SOE, einer geheimen Organisation innerhalb des britischen Geheimdienstes. In deren Auftrag arbeitet er im besetzten Paris von 1942 als Funker für den kommunistischen Untergrund, beobachtet im Nachkriegs-Berlin 1945 seltsame Aktivitäten der Russen und ist anschließend im Nahen Osten unterwegs, immer auf der Spur übernatürlicher Phänomene. Denn der beginnende kalte Krieg wird auch auf Geheimdienstebene geführt, und sowohl die Sowjetunion als auch Großbritannien haben Interesse an den geheimnisvollen Mächten, welche den Berg Ararat bevölkern, auf dem angeblich die Arche Noah gelandet ist. Die Russen haben bereits 1893 den Berg bestiegen und etwas von dort mitgebracht - Andrew Hale soll nun mit der Operation “Declare” verhindern, dass eine erneute sowjetische Expedition erfolgreich ist und muss sich dazu auch mit dem Doppelagenten Kim Philby auseinandersetzen, mit dem er mehr gemeinsam hat als ihm lieb ist…

Das Leben des realen Spions Kim Philby ist der Anker der phantastischen Geschichte, die sich Tim Powers hier ausgedacht hat. So lebt das Buch weniger von der routinierten Spionagestory als von den vielen, anfangs noch recht selten eingestreuten Hinweisen auf die übernatürlichen Wesen. Die Informationen werden zudem in immer wiederkehrenden Briefings von Andrew Hale und der Nebencharaktere wie Philby oder der spanischen Spionin Elena konkretisiert, teilweise aber auch wieder verworfen, so dass ein ständiger Spannungsmoment vorhanden ist, wie nun genau das Geheimnis des Berges Ararat aussieht.

Und trotzdem hat mich das Buch nicht vollends überzeugt. Dies liegt zum Einen an den schwachen Charakteren. Kim Philby ist dabei trotz des realen Hintergrunds noch die interessanteste Figur, doch Andrew und Elena fehlt die Glaubwürdigkeit. Als katholisch erzogener College-Absolvent spricht der Held fließend fünf Sprachen und kann beliebig die Akzente in den Fremdsprachen erkennen, ohne vorher einmal auch nur im Ausland gewesen zu sein - wie soll das denn gehen? Und dass aus den kurzen Begegnungen in Paris und Berlin eine so starke Liebe entsteht, die sich natürlich 1964 bis zum Happy End entwickelt, wirkt ebenso aufgesetzt.

Zudem pflegt Tim Powers einen für die englische Sprache recht anstrengenden Schreibstil. Englisch soll ja mehr Wörter besitzen als die deutsche Sprache - nach diesem Buch glaube ich es endlich. Sehr bildreich beschreibt Powers Orte und Ereignisse und verschachtelt dabei die Sätze, wie ich es in meiner Heimatsprache nicht einmal schaffe. Dabei zeichnet sich Englisch sonst gerade durch den simplen Satzbau aus. Ich habe seit meinem Lateinunterricht nicht mehr so viele Sätze doppelt lesen müssen, um den Inhalt zu verstehen. Deshalb habe ich zu meiner Schande über einen Monat für die knapp 600 Seiten benötigt (inklusive Urlaub).

Wer dies nicht scheut und sich eine spannend-phantastische Geschichte nicht von schlechtem Charakterentwurf vermiesen lässt, der sollte doch einmal probelesen - das Buch ist als Hardcover auch in deutsch erschienen.