Billy mit den großen Händen
Da steht dieser Mann mit seinen langen, dünnen Armen auf der Bühne; interagiert so gut wie gar nicht mit dem Publikum und erst Recht nicht mit seinen Bandkollegen, und trotzdem rasten die Menschen vor der Bühne aus und tanzen durchgängig während der fast drei Stunden Show. Wobei Show das falsche Wort ist. Alles was Billy Corgan auf der Bühne aufführt sind minimalistische Gesten: Er reißt seine Arme und die großen Hände nach oben; er tippt sich mit dem Mittelfinger gegen den rasierten Schädel; er führt die Hände von der Brust weg und öffnet sie dem Publikum.
Wenn es jemand nicht nötig hat, außer der Musik auch nur das geringste zu tun, um die 50€ für die Karte zahlenden Fans zu begeistern, dann der Frontmann der Smashing Pumpkins. Außer Drummer Jimmy Chamberlin ist niemand von der Originalbesetzung mehr dabei, aber dies passt zu der Selbstverliebtheit von Billy Corgan. Es ist seine Band und die Band ist nur zum Musizieren da; eigentlich sind alle Gäste nur wegen ihm gekommen. Der Sound ist dann auch trotz der mit der Nachrede der schlechten Akustik versehenen Arena Treptow hervorragend; ein Zeichen für die professionelle Planung der Konzerte sind die rund 30 Gitarren, die links und rechts der Bühne zu sehen sind und hauptsächlich für Herrn Corgan selber eingestimmt sind.
Deshalb darf die Vorband auch nur fünf Lieder spielen und muss sich mit dem wenigen Platz begnügen, der auf der für die Pumpkins vorbereiteten Bühne übrig geblieben ist. Für sechs Mann keine leichte Aufgabe, vor allem wenn man bedenkt, wer nach ihnen kommt. Dementsprechend ließ sich das Publikum gar nicht erst auf die Musik ein; mein Fall war es definitiv nicht.
Und dann betrat der Meister endlich die Bühne; beginnt mit “Porcelina” und spätestens bei “Bring the light” war ich ganz vorne. Was nun folgte war eine zweistündige Achterbahnfahrt durch die vielen Alben der Band mit den Schwerpunkten “Mellon Collie” und “Zeitgeist”, aber auch vielen B-Seiten. Zwischendurch kam die Akustikgitarre dreimal zum Einsatz - “Perfect”, “That’s the way” und “1979” - wobei gerade letzterer Song bewies, dass Billy Corgan gar keine Band braucht. Allein seine Stimme und ein paar Saiten Rhythmus sind genug, um das Lied zu transportieren und noch Stunden im Ohr nachhallen zu lassen.
Nach zwei Stunden kam es jedoch zu ersten Ermüdungserscheinungen im Publikum, worauf Billy Corgan leider reagierte, indem er die letzten Lieder mit Solo-Gitarrenschrammel-Einlagen unnötig in die Länge zog. Allein “United States” dauerte so 15 Minuten, so dass ich mich zum Auftanken an den Bierstand begab. Da ich damit nicht der einzige war, zeigte sich der Meister beleidigt und spielte in der Zugabe nur ein Lied und nicht das auf vielen Setlists stehende “Cherub Rock”. Dabei wäre dies der krönende Abschluss des Konzertes gewesen, so bleibt ein fader Beigeschmack - alles darf sich Billy Corgan nun doch nicht erlauben, sonst bleiben ihm irgendwann die treuen Fans von den Konzerten weg. Seine Nebenbands, die Solokarriere und schließlich die triumphale Rückkehr der Pumpkins sollten ihm eigentlich gezeigt haben, dass viele an den Songs der Bandgeschichte interessiert sind.
Trotzdem bin ich froh, nach der verpassten Abschiedstour 2000 die Band endlich einmal live gesehen zu haben. Toller Sound, lange Spielzeit, viele Hits - was will man mehr. Vielleicht ein bisschen mehr Show und Interaktion mit dem Publikum…