Der Schatten erhebt sich

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15.07.2008 22:07

von Robert Jordan, erschienen bei Piper, ISBN 978-3-492-70084-9, 18€

Nach zweieinhalb Jahren hat es Piper endlich geschafft, die originalgetreue Neuauflage der Rad der Zeit-Serie mit Teil Vier fortzusetzen. Dieser ist fast 1200 Seiten schwer, besitzt aber noch das glänzende Cover seiner Vorgänger und zur Abwechslung nicht die Original-Abbildung, sondern ein nicht einmal zum Inhalt passendes Bild (Korj von der Agentur Luserke wird als Urheber genannt). Leider ist in der Zwischenzeit Robert Jordan verstorben, noch vor Vollendung der Serie. Doch ein anderer Autor soll aus den Notizen des Schöpfers den abschließenden Band entwerfen. Wenn das mal nicht in die Hose geht und das Erbe wie bei Tolkien und Herbert einfach nur ausgeweidet wird.

Im Gegensatz zum Vorgänger Die Rückkehr des Drachens geht es bei Der Schatten erhebt sich recht flott los mit der Handlung, die sich schnell in drei Stränge aufteilt. Rand al’Thor zieht mit den Aiel in Richtung Rhuidean, der sagenumwobenen Stadt des Wüstenvolkes, um weitere Prophezeiungen zu erfüllen, während Perrin ins Land der Zwei Flüsse zurückkehrt, wo sich Trollocs und Kinder des Lichts Schlachten liefern. Gleichzeitig verfolgen Elayne und Nynaeve die schwarzen Ajah nach Tanchico, wo es ein Artifakt geben soll, dass den Besitzer den wiedergeborenen Drachen lenken können lässt.

Damit liest sich das Buch schön flüssig, wenngleich Robert Jordan nie ein Freund der schnellen Handlungsabläufe war. Dem Subplot in Tanchico fehlen für meinen Geschmack sogar etwas die Details, mit denen der Autor alle seine Handlungsorte und Charaktere ausstattet. Dafür gibt es viele Informationen über den Hintergrund der Geschichte, über das Zeitalter der Legenden und was sich seitdem getan hat. Langsam stellt sich auch beim Rad der Zeit dieses Harry-Potter-Gefühl ein, wo so viele Details nach und nach ineinander greifen, so dass die erfundene Welt glaubwürdig erscheint. Die pure Anzahl der Seiten und Details erschlägt den Leser auf der anderen Seite auch, denn viele Informationen vergisst man ob der Flut einfach und bei anderen wartet man vergeblich auf den Augenblick, dass sie zur Geltung kommen.

Auf der negativen Seite stehen die langweilenden Angriffe durch die Trollocs, die aufgrund ihrer hohen Anzahl zur Gewöhnung führen. Generell muss man sich fragen, wie viele davon der dunkle König zur Verfügung hat, damit er immer wieder Nachschub liefern kann. Eine Handlung kann man auch ohne ständige Schlachten vorantreiben. Wie zum Beispiel mit dem Schlächter / Lord Luc, der in der Traumwelt stärker als in der Realität ist, oder den ständig wiedergeborenen Helden aus alten Zeitaltern, die zwischendurch in der Traumwelt winterschlafen. Oder mit den Toren aus Tear und Rhuidean, durch die Mat scheinbar in andere Dimensionen eindringt.

Das Ende des Buches bringt dann schließlich sogar einen Cliffhanger mit sich, nachdem man eigentlich sofort weiterlesen will - doch Teil Fünf ist noch nicht einmal angekündigt. Also werde ich mich wieder ein paar Jahre hinsetzen, viel vergessen und hoffen, dass Piper das ganze Unterfangen Neuveröffentlichung nicht komplett verwirft.

Fazit: Die Serie hat sich mit dem vierten Teil wieder gefangen; durch viele interessante Fakten gewinnt die Fantasy-Saga an Eigenständigkeit und setzt sich so vom großen Vorbild Herr der Ringe ab. Trotzdem sollte man geduldig beim Lesen sein, denn die vielen Details treiben die Handlung auch in die Länge, und die Liebesgeschichten sind so langweilig wie platt. Alles in allem aber ein überdurchschnittliches Werk des Genres.