Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
von John Irving, erschienen im Diogenes Verlag, ISBN 3-257-22445-1, 12,90€
Wie angekündigt habe ich John Irving eine weitere Chance gegeben und bin, soviel kann ich vorweg nehmen, alles andere als enttäuscht worden.
In der Geschichte des Wassertrinkers geht es um Fred Trumper, einen Doktoranden der Literaturwissenschaften. Zu seinen vermögenden Eltern hat er kaum noch Kontakt, seit er im Ski-Urlaub in Kaprun eine Athletin des amerikanischen Alpinteams geschwängert hat, und mit seiner Abschlussarbeit - der Übersetzung einer altniedernordischen Ballade - kommt er nur schleppend voran. Zudem hat er Probleme mit seinem Harntrakt, weshalb ein Doktor ihm zur Linderung der wiederkehrenden Schmerzen die titelgebende Wassermethode empfohlen hat. Um wenigstens an etwas Geld heranzukommen arbeitet er nebenbei für einen Independentfilmer als Tonmischer - bis dieser auf die Idee kommt, seinen nächsten Film über das unstetige Leben von Trumper zu drehen…
Der Wassertrinker ist ein sehr früher Roman von John Irving, und doch finden sich schon viele der autobiografischen Elemente wieder: Fred Trumper hat Literatur studiert, war in seiner Jugend Ringer und stammt aus New Hampshire; das Buch spielt außerdem teilweise in Österreich, wo Wien natürlich nicht fehlen darf. Und doch ist es frisch wie sonst kaum ein Irving, denn in keinem anderen seiner Werke hat er so viel herumexperimentiert in Stil und Form. Die Kapitel sind allesamt angenehm kurz und wechseln zwischen Erzählungen in der dritten Person, Ich-Passagen, Briefen, Drehbüchern und Wiedergaben von Tonbandaufnahmen. Dazu sind folgen sie kunstvoll auf mehreren Zeitebenen angeordnet, die nach und nach wie ein Puzzle ein Gesamtbild vom Leben des Wassertrinkers ergeben.
Dazu kommt ein unglaublicher Witz, der sich hauptsächlich aus der Weltsicht von Fred Trumper, seinen daraus abgeleiteten Handlungen und der oft gegensätzlichen Ansicht seiner Freunde ableitet. Dies ergibt in seiner detailierten Breite eine psychologisch gut ausgearbeitete Charakterstudie. Besonders gefallen haben mir - wie könnte es anders sein - die Kapitel, in denen es um die Arbeit am Film geht. Wie immer ist Irving gut informiert und weiß mit vielen Details zu Schnitt, Tonmischung und Drehbüchern zu überzeugen.
Fazit: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker ist für mich das beste Buch von John Irving. Es ist unglaublich komisch und pointiert in der Charakterzeichnung, spielerisch in seiner Form und macht ein paar wirklich liebevolle Abstecher ins Independentkino. Ich kann den Roman bedingungslos weiterempfehlen!