Mishen

gesehen
Published

21.03.2011 22:26

Berlinale-Filmdatenblatt

Russland im Jahr 2020: Eine breite Autobahntrasse zwischen China und Europa hat dem Land den nötigen Reichtum gebracht, um das System der Oligarchen aufrecht zu erhalten. Nikolai, ein hohes Tier in einem Ministerium, lebt dementsprechend ein sorgenfreies Leben mit einer hübschen Frau und allem, was mit Geld zu kaufen ist. Doch das Altern kann er nicht aufhalten, und so organisiert er sofort eine Reise, als er von einer alten russischen Forschungsanlage hört, die angeblich wie ein Jungbrunnen für alle Besucher wirkt.

Zusammen mit seiner Frau Zoe, deren Bruder Mitja (ein angesehener Fernsehmoderator), dessen Freundin Anna und Victor, einem Sicherheitsbeamten der Autobahntrasse, macht sich Nikolai auf in das Altai-Gebirge. Und tatsächlich scheint die Wirkung der Anlage einzutreten; alle fühlen sich jung, beschwingt und voller Energie. Doch dann treten Zerwürfnisse innerhalb der Gruppe auf, bestimmte Eigenheiten der Charaktere treten verstärkt hervor und führen zu starken Auseinandersetzungen. Bald müssen die Fünf sich bewusst werden, dass die erlebte Veränderung auch Nachteile mit sich bringt, und jeder muss für sich die Entscheidung treffen, ob er den eingeschlagenen Weg bis zum bitteren Ende weiterverfolgt oder lernt, sich einzuschränken und fortan zurückgezogen zu leben.

Mishen hat einen sehr zwiegespaltenen Eindruck bei mir hinterlassen. Dies liegt weniger an seiner typisch russischen Art, die man nun mögen kann oder nicht, sondern vielmehr daran, dass er seine eigentlich profane Aussage in einem Figurenkollektiv versteckt, welches wohl als Kritik des momentanen Systems in Russland anzusehen ist, allerdings sehr irritierend wirkt, und mit dem leicht utopisch angehauchten Szenario etwas verspricht, was der Film später nicht hält. Die reichen, mittelalten Männer mit ihren jungen, schönen Frauen werden gezeigt, wie sie Luxusautos fahren, reiten gehen, teure Parties veranstalten und sich Frauen nehmen, wann und wie sie es wollen. Bei all der Darstellung des Luxus und der alltäglichen Gewalt, die immerhin 154 Minuten dauert, saß ich unbeteiligt da ob der unsympathischen Charaktere und hoffte, mehr Hinweise zu bekommen, wie die Wirkung des Jungbrunnens genau aussieht.

Doch diese Hinweise kommen nicht. Ebensowenig Erklärungen zu den weiteren utopischen Elementen wie der obsessiven Idee von Nikolai, das Potential von Gut und Schlecht in Menschen und Gegenständen durch eine besondere Brille sichtbar zu machen. Zumindest bietet dieses Plotelement ein paar nachdenkenswerte Aussagen zum zerstörerischen Einfluss von widernatürlichen Eingriffen in die Natur, die am Ende jedoch dem orgiastischen Finale der Hautphandlung geopfert werden. So hat der Film leider nicht mehr zu sagen als dass das ewige Leben kein erstrebenswerter Zustand ist, da er einen einfachen Lebenswandel erzwingt, wie ihn kaum einer der Charaktere bereit ist zu leben.

Ganz zum Schluss wird der Zuschauer mit einer langen Kamerafahrt über die kreisförmige Forschungsanlage entlassen, die noch einmal auf die Einsamkeit der Entscheidung für ein ewiges Leben hinweist. Doch wie so viele der interessanten Ansätze passt diese Zurschaustellung des für russische Verhältnisse großen Budgets nicht recht in den Film, fügen sich die teils widerstrebenden Elemente nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammen und bleiben zu viele Fragen zurück. Und deshalb weiß ich bis heute nicht so richtig, was ich mit Mishen anfangen soll…