Vor der Morgenröte

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Published

19.06.2016 23:00

Eine beeindruckende Kamera und ein großartiger Josef Hader sind starke Pfründe - und doch hat der Film mich nicht überzeugt.

Dies liegt vor allem an der mutigen Szenenauswahl, die z.B. die literarische Arbeit Zweigs, den Prozess des Schreibens, fast vollkommen ausspart. Stattdessen sieht man meistens den öffentlichen Menschen Zweig, wie er auf Empfängen, Kongressen oder auch als Konversationspartner mit einem alten Kollegen den Weltliteraten gibt. Selten, wie beim Donauwalzer einer brasilianischen Dorfkapelle, wird dem Zuschauer ein kurzer Blick hinter diese Fassade erlaubt. Was sich da in den Augen des Ehepaars Zweig abspielt ist großartig gespielt und eingefangen.

Bis auf dieses einende Heimweh bleibt die Beziehung Zweigs zu seiner ehemaligen Sekretärin aber Stückwerk, dass nicht so recht zusammenpassen will. Die New-York-Szene mit der ersten Ehefrau ist da hilfreicher, schon weil Zweig hier privat sein darf und es viel Dialog gibt. Das auf ihm lastende Gewicht kommt zum Ausdruck, aber gleichzeitig auch die Kraft, die er aus seiner Arbeit zog.

Für ein Psychogramm oder gar eine Erklärung des Doppel-Selbstmords ist mir das zu wenig; zudem wird viel Wissen über Zweig vorausgesetzt oder nur angedeutet. Dass dies dem Feuilleton gefällt ist mir klar…