Red Dead Redemption II
An Teil 1 von Red Dead Redemption habe ich nur gute Erinnerungen. Das Spiel war damals eine grandiose Kombination aus dem Gameplay von GTA, der guten Steuerung zu Pferd (besser als alle anderen Spiele, in denen ich davor Reiterfahrungen machen durfte) und dem grafisch wie inhaltlich fantastisch umgesetzten Wild-West-Szenario.
Und nun kommt RDR2 und macht viele dieser Sachen einfach mal schlechter als der Vorgänger. Es fängt an mit der missratenen Steuerung: Die intuitive Eingängigkeit von RDR1 ist einer teilweise dreifachen Belegung von Tasten gewichen: Manche Aktionen werden mit einem einfachen Druck ausgelöst, andere mit einem längeren Halten und dann gibt es noch auf dem richtigen Timing basierendes Rhythmus-Drücken. Als Sahnehäubchen wurden beiden Analogsticks Drück-Aktionen verpasst. Na gut, nach etlichen Spielstunden habe ich das gelernt, aber bis zum Ende störte mich, dass die vier Aktionstasten (bei Stadia A, B, X & Y) in unterschiedlichen Kontexten (Einkaufen, Plündern, am Pferd) andere Aktionen triggern, ähnliche Aktionen jedoch selten auf gleichen Tasten liegen. Zum Glück wird die Belegung immer angezeigt, aber ein einfaches “X ist immer Bestätigen” finde ich deutlich besser. Irgendjemand bei Rockstar war zudem der Meinung, dass sich Faustkampf so fundamental von allen anderen Kämpfen unterscheidet, dass dafür nicht die Schultertasten verwendet werden können.
Ganz warm wurde ich auch nicht mit dem Reiten. Viel zu oft bin ich beim schnellen Reiten an Zäunen, Bäumen oder anderen Reitern hängen geblieben. Wenn das Pferd automatisch springen kann, warum kann es dann nicht knapp an etwas vorbeireiten, liebe Kollisionsabfrage? Und warum kann es im Galopp engere Kurven reiten als aus dem Stand? Ganz besonders geärgert habe ich mich über die Richtungssteuerung. Standardmäßig werden Bewegungen des Analogsticks aus der Perspektive der Kamera umgesetzt. Beim Reiten von der Kamera weg funktioniert das ganz gut, aber beim Losreiten nahm das Pferd niemals die Richtung, in die ich gerade wollte. Also habe ich die Steuerung auf die Perspektive des Pferdes umgestellt - was beim Losreiten nun gut funktioniert, aber ansonsten viel zu sensibel ist. Kleinste Bewegungen des Analogsticks führen zu sprunghaften Richtungswechseln des Pferdes, anders als bei der Kameraperspektive.
Das Ring-Menü zur Wahl der aktiven Waffe ist inzwischen mehrdimensional (drei kontextsensitive Hauptebenen, die einzelnen Abschnitte des Rings und darin noch Listen) und überschneidet sich leider mit den als Inventory dienenden Taschen am Mann und am Pferd. Einige Gegenstände sind in beiden vorhanden (Schnellzugriff auf Nahrung), andere nur in einem. So kann ich Klamotten, die ich in meiner Unterkunft für die Pferdetasche ausgewählt habe, nur über das Ringmenü wechseln, während ich andere Gegenstände am Pferd stehend sehen kann (Fälle, Tierkadaver). Beim Verkauf kann ich aber Gegenstände aus der Pferdetasche verkaufen, auch wenn das Pferd weit weg steht. Wenn man es einmal begriffen hat, kommt man damit klar, aber es ist weder leicht verständlich noch konsistent.
Was mich weiterhin an der Steuerung genervt hat sind die vielen interaktiven Filmsequenzen, in denen ich im richtigen Moment auf bestimmte Knöpfe drücken muss - in einem Open-World-Spiel, das viel Wert auf Freiheit legt, kann ich auf so etwas verzichten (dazu gehört auch das Drehen der Analogsticks beim Angeln). Ich weiß, komplexe Spielmechaniken einfach zugänglich zu machen ist nicht der leichteste Job, aber RDR2 versagt hier aus meiner Sicht.
Grafisch ist das Spiel dagegen wieder top. Gerade der Prolog mitten in einem Schneesturm weiß zu beeindrucken. Teilweise leidet die Spielerfahrung unter zu starkem Gegenlicht, zu dunklen Nächten und zu dichtem Nebel, aber das gehört wie die richtige Kleidung für das jeweilige Klima zu den realistischen Elementen, die RDR2 zu einem Erlebnis machen. Gerade bei Starkregen oder Gewittern wollte ich am liebsten stehen bleiben und das Schauspiel einfach nur genießen.
Zu der hinzugewonnenen Realität passt aber leider das Landschaftsdesign nur bedingt. Klar, es gibt wie beim Vorgänger grandiose Landschaften zu bewundern - aber diese sind viel zu gedrängt und viel zu stark bevölkert. Wo in RDR noch ein gutes Gefühl der großen Weite des Westens entstand, ist man in Teil 2 in fünf Minuten durch jeden der “Bundesstaaten” mitsamt extremen Klimazonenunterschieden geritten und hat dabei nicht nur alle paar Meter die gar nicht scheue Fauna bewundern dürfen, sondern auch viele Dörfer und Farmen links und rechts des Weges und dazwischen unzählige Reiter und Kutschen. Die vielen verschiedenen Tiere (inklusive den legendären Varianten) dürfen alle nach Lust und Laune gejagt und geweidet werden - jedoch gibt es neuerdings Felle in unterschiedlichen Qualitätsstufen, und diese hängen an den zufällig spawnenden Tieren. Da für einige Items im Spiel die Felle in bester Qualität benötigt werden, riecht das verdächtig nach Lootboxen.
Gar nicht angedockt habe ich bei der Story. Dass ein Rockstar Game gewalttätig ist, das wusste ich auch vorher. Aber schon in GTA V gefiel mir nicht, dass ich einen mir zutiefst unsympathischen Charakter zwingend spielen musste. Open-World-Spiele, noch dazu mit leichten Rollenspielanteilen wie RDR, leben eigentlich davon, dass ich meinen Charakter nach meinem Gutdünken entwickeln kann. Ich kann ihn zum Knight in shiny armour machen oder zum Bad Boy, oder alles dazwischen. Grundsätzlich geht das in RDR2 auch: Ich kann in Nebenquests und zufälligen Begegnungen den Menschen helfen oder - auch in der Hauptstoryline - den knallharten Gangster mimen, der alles tut, um seiner Bande das Überleben zu sichern.
Ärgerlicherweise ändert das nichts daran, dass ich in den Hauptquests nicht aus der Rolle des Bandenmitglieds ausbrechen kann. Ich muss alles machen, was das Spiel mir aufzwingt, und dazu gehört leider auch das Entvölkern ganzer Dörfer. Es gibt einen Questgeber namens Micah, bei dem ich schon vor der Mission weiß, dass er nicht ganz richtig im Kopf ist und es auf jeden Fall zu vielen Toten kommen wird. Klar, dies ist Teil der der Erzählung, bei der sich der Hauptcharakter langsam von seinen “Freunden” und seiner Vaterfigur entfremdet, aber dies geschieht für meinen Geschmack viel zu langsam.
In RDR (I) war die Motivation für die viele Gewalt (ein Drehbuchkniff), dass John Marston zum Rachefeldzug gezwungen wurde. In RDR II fehlt sogar dieses Feigenblatt, und das hat mir bitter aufgestoßen. Stattdessen hetze ich von Kapitel zu Kapitel, von einem Unterschlupf zum nächsten, ohne Perspektive auf Besserung. Es ist eine einzige lange, gewalttätige Flucht, die erst spannend wird, als Arthur Morgan ein Schicksalsschlag ereilt. Für diese repitative Handlung sind 103 Missionen einfach zu viel. Sie erlauben zwar anfangs, die vielen Mitglieder der Bande näher kennen zu lernen, aber in der zweiten Hälfte des Spiels sind es meist nur noch Dutch und Micah. Ich habe mich erwischt, dass ich in die vielen Nebenmissionen geflüchtet bin, weil ich die Hauptquest einfach nicht mehr spielen wollte. Ganz besonders geärgert habe ich mich darüber, dass ich oft zu Questgebern in den Unterschlupf gerufen werde, nur damit nach einem kurzem Dialogstart wieder Dutch oder Micah die Quest highjacken. Da zeigt mir das Spiel (und die Designer) gefühlt den Zeigefinger, und das mag ich ganz und gar nicht.
Insgesamt habe ich knapp 80 Stunden in RDR2 investiert und kann nicht behaupten, dass ich über die gesamte Zeit gut unterhalten wurde. Gerne könnten die 20 Epilog-Missionen wegfallen und die Handlung zwischendurch gestrafft werden.