Story
Ich liebe ja Open-World-Spiele die es trotzdem schaffen, eine gute Story zu erzählen. Bei Cyberpunk läuft die Hauptquestlinie wie auf Schienen ab. Wo es früher Spiele gab, in denen die Spielewelt korridorartig vorgab, wo es als nächstes hingeht, legt Cyberpunk hier virtuelle Brotkrumen aus in Form von vielen kleinen Minizielen pro Mission, für die auf der Minimap der Weg hin markiert wird. Einfacher geht es kaum.
Ist dann eine Mission vorüber, gibt es meist direkt eine Überleitung zur nächsten: Rufe den einen Charakter an, begebe Dich zu Ort Soundso - durch diese kleinen Cliffhanger verschwimmen die Grenzen zwischen einzelnen Missionen. Und das ist ein echtes Problem für das Spiel, denn dadurch wirkt die Haupthandlung kürzer, als sie eigentlich ist: Ein Prolog, zwei parallele Handlungsstränge gefolgt von den Sakamura-Quests - und schon stand ich vor einer Tür, an der mir das Spiel empfahl, Nebenquests noch abzuschließen, weil mich das Finale erwartet. Nach knapp 20 Stunden Spielzeit - da bin ich von Open-World-Spielen anderes gewöhnt.
Die Geradlinigkeit der Story setzt sich auch in den Lösungswegen fort. Der Stealth-Weg als Hacker und Meuchler steht als eine einzige Option neben dem klassischen Kämpfer zu Verfügung. Ich habe mich lange versucht am leisen Vorgehen, bin dann aber schlussendlich zum gefühlt leichteren Weg der direkten Konfrontation zurückgekehrt. Das hat mehrere Gründe: Zum Einen konnte ich recht schnell zu Beginn des Spiels ein Katana-Schwert per Itemverbesserung auf so hohe Werte upgraden, dass keine Schusswaffe oder Hacks mithielten. Zum Anderen ist das Verhalten der Gegner extrem schwer verständlich - wieso wurde ich jetzt trotz Versteck entdeckt, was hat die Wache dazu bewogen, Alarm auszulösen? In einer Mission habe mich ich nach über einer Stunde Scheitern-und-Neuladen als Hacker schließlich entschlossen, einfach konsequent jede Wache mit dem Katana zu köpfen - und war nach wenigen Minuten durch. Es hat auch keinerlei Konsequenzen, wenn man statt die Wachen zu betäuben sie einen Kopf kleiner macht. In der besagten Mission musste am Ende ein Virus in einen Computer eingespielt werden. Doch ob man sich nun unbemerkt bis dahin gehackt hat oder ein Blutbad rund um den Computer angerichtet hat, es macht einfach keinen Unterschied. Und das ist sehr schade, denn darunter leidet die Glaubwürdigkeit der Geschichte enorm - die ohnehin gerne groß auf den Putz haut und Volten schlägt, die mich teilweise kopfschütteln ließ.
Zumindest ist es unterhaltsam, was vor allem am Charakter von Johnny liegt. Man möchte nicht mit V tauschen, aber sein Blick auf die Spielewelt hebt sich angenehm von allen anderen NPCs ab, von denen einige blass und austauschbar bleiben. So haben mich auch nur wenige Nebenquests motiviert, sie zu erledigen. Die meisten werden einfach per Anruf oder SMS ins Questlog eingetragen, wo die vielfach nichtssagende Beschreibung von Johnnys Sarkasmus dominiert wird.
Vor den letzten Missionen muss man sich als Spieler schließlich für einen von fünf oder sechs verschiedenen Wegen entscheiden, je nachdem wieviele Hauptnebencharaktere man vorher von sich überzeugt hat. Was diese Entscheidung für Folgen hat wird aber vorher nicht erklärt und ist schlecht abschätzbar, so dass ich leider das wohl langweiligste aller Enden gewählt habe, welches nach dem finalen Bosskampf die Story in einer halbstündigen Beschäftigungstherapie unbefredigend austrudeln lässt.
Im krassen Gegensatz zur engen Führung durch die Story steht die totale Freiheit in der Welt von Night City. Gleich nach dem Prolog kann jede Ecke der Stadt erreicht werden; hunderte an Nebenquests warten auf der unübersichtlichen Karte darauf, entdeckt zu werden. Und das ist wörtlich gemeint, denn erklärt wird dem Spieler nur wenig. Warum rufen mich zig wildfremde Charaktere an, um mir Aufträge zu geben? Und wie funktionieren die Einsätze für die Polizei und vor allem: was habe ich davon? Was hat es genau mit den Banden in den Bezirken auf sich? Fragen über Fragen…
Manchmal heißt die Antwort vielleicht einfach: Dieses Spielelement ist nicht fertig geworden. Ganz offensichtlich ist dies beim Schnellreisesystem. In Night City gibt es nämlich U-Bahnhöfe, die man nicht betreten kann, und Bushaltestellen, an denen kein Bus fährt. Dafür stehen dort Automaten, die einen sofort zu einer anderen Haltestelle katapultieren. Ein Hinweis darauf fehlt aber dem Spiel. Anfangs hat der Spieler nämlich kein Auto zur Verfügung, und Night City ist keine Fußgängerstadt. Zum Glück kam ich darauf, dass wie in GTA haltende Autos ohne Risiko gehighjacked werden können (weshalb ich nicht verstand, weshalb es Missionen zum Kauf von Autos gibt). Am Ende habe ich aufgrund der verkorksten Fahrzeugsteuerung aber fast nur noch das Schnellreisesystem genutzt.
Und das ist ein weiteres Problem von Cyberpunk: Wo die Rockstar Games dem Spieler die Welt in Etappen näherbringt und sie auch ausreichend divers gestaltet, sehen sich die Stadtteile von Night City zu ähnlich: Überall Straßen und Hochhäuser, nur die Außenbezirke heben sich optisch überhaupt ab. Und so habe ich nach Spielende immer noch kein Gesamtbild der Stadt im Kopf, zu labyrinthisch ist sie aufgebaut und zu leicht ist es, per Schnellreise von A nach B zu springen.
Gar nicht hilfreich ist dabei die Map. Diese ist zwar theoretisch so dreidimensional wie der Aufbau der Stadt auf den verschiedenen Ebenen, kann aber nicht beliebig gedreht werden, um Übersichtlichkeit zu generieren. In ausschließlich Blau- und Rottönen fällt es sehr schwer, von der Karte auf die Umgebung zu schließen und umgekehrt; ganz zu schweigen von der erschlagenden Zahl an Quest-/Shop-/Whatever-Punkten, die standardmäßig angezeigt werden. Zum Glück ist die Wegführung zuverlässig.