Klara und die Sonne
von Kazuo Ishiguro, erschienen im Karl Blessing Verlag, ISBN 978-3896676931, 24€
Der äußere Handlungsrahmen spielt in einer nahen Zukunft: Die Karrierechancen junger Menschen hängen nicht mehr von ihren Fähigkeiten ab, sondern ob die Eltern Jahre zuvor eine genetische Veränderung ihrer Kinder haben vornehmen lassen. Doch dieser Eingriff birgt auch Risiken - nicht alle Kinder erreichen das Erwachsenenalter.
In diese Welt stellt Ishiguro seine Protagonisten: Die jugendliche Josie, schwerkrank aufgrund des Geneingriffs und weitgehend von der Außenwelt isoliert; ihre Mutter Chrissy, ein Workaholic in diesem Kastensystem, die bereits ein Kind auf diese Art verloren hat. Unterstützen soll sie eine Art Roboterspielzeug, ein KF (künstlicher Freund) namens Klara, aus deren Perspektive das Buch berichtet. Und nomen est omen - eigentlich ist die KF eine KI, und es wird das Thema behandelt, wie die Welt mit komplexen Helfern umgehen soll, die wir als ihr Schöpfer nicht mehr verstehen bzw deren Handlungen wir nicht mehr nachvollziehen können.
Ishiguro wählt dafür den Ansatz, uns als Leser doch Einblick in die Wahrnehmungs- und Gedankenwelt von Klara zu geben, was zu einigen sehr intensiven Beschreibungen ihrer Wahrnehmung der Außenwelt führt, aber auch zu einigen unverständlichen (Aufteilung in Blöcke). Und vor allem nimmt sich der gesamte erste Teil des Buches Zeit zu erklären, wie Klara zu ihrer kleinen Ersatzreligion mit der göttlichen Sonne kommt, die fortan zu einigen seltsamen Handlungen führen wird.
Das Buch widmet sich quasi dem gesamten Lebenszyklus der KF Klara: Die Prägung im Laden vor der Auswahl durch Josie. Die Zeit als KF von Josie. Die Zeit danach, als Josie sie nicht mehr benötigt. Und schließlich das Ende auf einem Abstellhof.
Dabei lebt das Buch von diesen harten Widersprüchen: Klara mit ihrer durchaus hochentwickelten Intelligenz, die aber trotzdem an banalen Aufgaben wie dem Laufen über eine Wiese mit hohem Gras scheitert, und am Ende entsorgt wird wie jedes x-beliebige Spielzeug. Und eine Welt, die Eltern vor die Wahl stellt, ihre Kinder entweder von der Teilhabe an der Welt der Oberschicht auszuschließen, oder sie dem Risiko eines frühen Todes auszusetzen.