Ich bin das Problem

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Published

29.12.2023 22:55

Ich muss gestehen: Ich bin mitverantwortlich dafür, dass es gerade so viele Fortsetzungen gibt. Indiana Jones 5, Matrix 4, Staffel 34 der Simpsons und Staffel 10 von Futurama - ich schaue sie alle. In der niemals versiegenden Hoffnung, dass irgendeine Neuauflage der Highlights meiner Kindheit/Jugend das Gefühl reproduzieren kann, das ich beim ersten Sehen hatte. Alle scheitern kolossal daran, und doch habe ich sie gesehen und dafür bezahlt, wodurch der Plan dahinter aufgeht und die kapitalistische Reproduktionsmaschine nur noch mehr Remakes, Reboots, Sequels und Prequels auf den Markt wirft.

Wenn doch zumindest die Qualitäten der Originale dabei erhalten blieben oder zumindest etwas Neues geschaffen werden würde. Doch auf mich wirken die Fortsetzungen eher wie Fanboy-Projekte mit hohem Production Value. Zum Beispiel Matrix Resurrections, dessen erste Stunde mit ein paar interessanten Ansätzen noch Hoffnung auf einen guten Film macht. Da wird mit dem Doppeltank von Neo und Trinity und der roten Beleuchtung ein optischer Reiz gesetzt und gleichzeitig mit der Analyse des neuen Charakters Analytiker eine spannende Reflektion unserer allgegenwärtigen Aufmerksamkeitsökonomie präsentiert, die Konflikte fördert weil diese den Menschen stärken anziehen als eine Welt mit Friede, Freude und Eierkuchen.

Auf dieser Metaebene spielt auch eine Szene in einer Art Writers-Room, der eine Fortsetzung der Matrix-Serie umsetzen soll und darüber diskutiert, was eigentlich so ikonisch an dem ersten Teil war. Dabei fallen viele richtige Punkte - doch gleichzeitig sitzt die Marktforschung mit am Tisch und es ist klar, dass nichts genuin neues geschaffen werden soll sondern nur die Erwartung der Fans bedient werden soll, damit das Werk sich möglichst risikofrei verkauft. Während sich letzteres leider 1:1 auf Resurrections übertragen lässt, findet sich traurigerweise keine der Stärken in der Fortsetzung wieder, obwohl sie gerade noch aufgezählt wurden - die eigene Ironie nicht begreifen, daran muss ein Film erst einmal scheitern.

Das fängt an mit der Bullet-Time-Action, die nicht nur optisch sondern auch handwerklich das Filmemachen revolutioniert hat. Ganz nebenbei hat sie durch den Zeitlupeneffekt auch für spannende Blickwinkel und Übersichtlichkeit gesorgt. Matrix Resurrections bietet dagegen nur CGI, die leider aktuell üblichen schnellen Schnitte und folgerichtig Verwirrung und Überforderung. Die mit dem 1999 in Mode kommenden Colorgrading deutlich gemachten Unterschiede zwischen realer und virtueller Welt fehlen vollkommen und ein paar der Schauspieler-Leistungen (die neuen Besetzungen von Morpheus und Agent Smith) unterbieten selbst den in dieser Hinsicht nicht sehr hoch eingeschätzten ersten Teil.

Ähnlich harmlos auf der Risiko-Seite bewegt sich Indiana Jones und das Rad des Schicksals. Brachen die ersten drei Indy-Filme noch ironisch die damals bockernsten Action-Klischees, so lebt der fünfte Teil nun selber von einer Aneinanderreihung an Szenen, die ich in der einen oder anderen Form schon in anderen Filmen gesehen habe. Klar ist das Konzept trotz der langen Laufzeit immer noch unterhaltsam, aber leider so wenig überrschend wie man es von einem Fan-Service für die inzwischen wie Indiana Jones selber gealterte Zuschauerschaft erwarten kann. Schade auch, dass der Film sich kurz vor dem Ende eine weitere Sequeltür aufhalten muss, als ich mich schon über eine stimmige Emeritierung für Dr. Jones freute.

Wie komme ich nun aber raus aus diesem Hamsterrad? Wie überzeuge ich mein Gehirn, nicht sofort das Belohnungszentrum anzuschmeißen, wenn ich auch nur den Trailer von geliebten alten Bekannten sehe? Noch habe ich außer kaltem Entzug keine Antwort auf diese Frage, aber ich kann das als guten Vorsatz für 2024 ja zumindest einmal probieren. To be continued…