Stray

gespielt
Published

04.01.2024 22:30

Stray beginnt mit einer Art Tutorial: Der Spieler steuert eine Katze, die mit drei Artgenossen in einer Industrieruine mit zugewucherten, hohen Betonwänden und riesigen Rohren lebt. Die Steuerung erlaubt es, über einen Button mit den anderen Katzen zu interagieren (aneinander reiben, miteinander spielen), über einen anderen Button kann gesprungen werden. Dies geht schnell in Mark und Bein über und zusammen mit der bodennahen Perspektive stellt sich wirklich das Gefühl ein, eine Katze zu steuern.

Doch der Katzensimulator findet ein abruptes Ende, als die Katze abrutscht und in einem dunklen unterirdischen Gang landet. Dort erwarten sie nicht nur die Zurks, eine Horde meerschweinchen-ähnlicher Tiere, die sie fressen wollen, sondern auch eine kleine Drohne, die genau wie die Katze zurück an die Oberfläche möchte und sich deshalb mit ihr zusammenschließt. Die Drohne hat ihr Gedächtnis verloren, kann aber hacken und mit den hier lebenden humanoiden Robotern kommunizieren. Doch der Weg zurück ist komplizierter als gedacht und auf der Reise decken die beiden nicht nur die Gedächtnislücken der Drohne auf, sondern auch was es mit dieser seltsamen Roboterwelt unter einem künstlichen Sternenhimmel auf sich hat.

Als ich 2022 das erste Video zu Stray sah, wollte ich es sofort spielen. Zu geschmeidig und realistisch sahen die Animationen der Katze aus, zu sehr sprach mich der Retro-Industrial-Chic der unterirdischen Stadt an mit seinen Röhrenmonitoren und Towergehäusen. Und das Spiel hat mich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht, auch die Roboter sind toll animiert und bei gleicher Bauart doch so individuell gestaltet, dass sie direkt menschlich wirken. Die bewohnten Bereiche der unterirdischen Stadt leuchten zudem in einer Neon-Ästhetik, die aktuelle Spiele-Engines scheinbar besonders gut darstellen können (nicht erst seit Cyberpunk 2077).

Aber die Atmosphäre lebt nicht nur von der tollen Optik. Stray ist in erster Linie ein auf Exploration ausgelegtes Action-Adventure, doch die frei erkundbaren Bereiche werden durch Stealth-Abschnitte und Rennpassagen miteinder verbunden, deren Pacing und Setting mit jeweils ganz eigenem Soundtrack kongenial unterstützt wird. Den Entwicklern ist es zudem gelungen, mit ein paar wenigen Entscheidungen eine Welt zu erschaffen, die zwar an unsere erinnert, aber gleichzeitig fremdartig wirkt. So haben die Roboter und damit fast jeder Text in der Spielewelt eine eigene Sprache mit eigener Schrift - das lässt den Spieler noch mehr wie eine Katze fühlen, denn unsere fellinen Fellfreunde können mit unserer Sprache und Schrift auch nichts anfangen.

Gleichzeitig bestehen die wunderbar die Dimensionen nutzenden Level zu weiten Teilen aus vieletagigen Wohngebäuden, aber nur wenige Wohnungen werden wirklich von den Robotern bewohnt und selbst dann wirken sie leicht fehl am Platz - wozu benötigen sie Betten und Kneipen, wieso gibt es diese unterirdisch abgeschottete Welt ohne Himmel überhaupt? Auf dem Weg hinaus lernt der Spieler nach und nach über wiedergefundene Erinnerungsfetzen der Drohne die Hintergrundgeschichte kennen, die leider nicht ganz mit der restlichen Qualität des Spieles mithalten kann. Achtung Spoiler: Eine böse Company, die eine walled city erschafft und zu erfolgreich dabei ist, den anfallenden Müll zu beseitigen. Ein Mensch, der seinen Geist in den Computer hochlädt. Ein Virus, der alle Lebewesen auslöscht. Alles schon tausendmal gesehen. Zum Glück läuft dies nur im Hintergrund mit und hat mit den eigentlichen Missionen nur wenig zu tun, so dass ich mich mehr an der Grafik und der spannenden Architektur der unterirdischen Stadt erfreuen konnte (inklusive Überraschungen wie den Riesen-Augen an den Wänden).

Der Weg bleibt immer das Ziel in Stray, und dieser ist gepflastert mit kleinen Aufträgen und Rätseln. Finde die Roboter in den mit bestimmten Neonanzeigen ausgestatteten Wohnungen; schalte Tore in einer bestimmten Reihenfolge, so dass Katze und Drohne unbehelligt an den Zurks vorbeikommen. Meist ist das sehr straight forward und ohne Zeitdruck lösbar, doch sowohl in den Stealth- als auch in den Run-Passagen macht sich manchmal bemerkbar, dass bei all dem guten Gefühl die Steuerung zeitweise hakt. So muss die Katze erst warten, bis an einem Sprungziel der Button eingeblendet wird, ehe sie wirklich springen kann. Das nimmt ganz schön den Flow aus der Bewegung.

Doch bevor ich mich an der Welt sattgesehen und das Spielprinzip sich abgenutzt hatte, ist das Spiel auch schon zu Ende. Ich habe laut Savegame 7,5 Stunden für den Durchlauf benötigt, dazu kommen noch ein paar Versuche in den Stealth/Run-Passagen - das ist überschaubar, dafür war der Preis von 28€ auf dem Mac fair. Wer also noch nicht das Vergnügen hatte, der streunenden Katze und ihrer Drohne auf ihrer Flucht zu helfen, der kann dies nun auch abseits von PS5 und Steam tun - ich kann es nur empfehlen.