Das blinde Licht: Irrfahrten der Wissenschaft

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08.09.2024 17:44

von Benjamin Labatut, erschienen im Suhrkamp Verlag

Nachdem ich einige Freude mit Labatuts letztem Werk Maniac hatte und mir seine Art des essayistischen Schreibens über Wissenschaftsgeschichte gut gefiel, habe ich mir mit Das blinde Licht sein vorheriges Büchlein vorgenommen.

Dieses ist etwas schmaler (187 Seiten) und erzählt in drei abgeschlossenen Handlungen von den Irrungen und Wirrungen, die auf die Entdeckung des ersten synthetischen Farbstoffes Preußisch Blau folgten, von der Tragik hinter der Schwarzschild-Singularität und schließlich (etwas ausführlicher in Mini-Kapiteln) von den Pionierleistungen von Schrödinger und Heisenberg bei den Grundlagen der Quantenmechanik.

Die Auseinandersetzung mit Preußisch Blau strotzt dabei nur so von der Faszination am Morbiden: Giftgas, Zyankali - Labatut beschreibt sichtlich fasziniert die wissenschaftlichen Hintergründe und die Charaktere hinter den Entdeckungen, springt assoziativ durch die Jahrhunderte von Anekdote zu Anektdote und verwebt so die gut recherchierten Details zu einem engmaschigen Netz, das sich spannend liest.

Der deutsche Untertitel des Buches nimmt dabei vorweg, was die drei Handlungen des Buches als Gemeinsamkeit zusammenführt: Wie erfolgt eigentlich Fortschritt in der Wissenschaft? Mit Corona durften wir live miterleben, was Labatut hier kurz vorher herausgearbeitet hat: Es ist die Pluralität der verschiedenen Ideen und Charaktere, die sich aneinander reiben und manchmal Umwege und Sackgassen beschreiten, die aus einer Ungewissheit heraus schließlich zum nächsten Fixpunkt auf dem niemals endenden Weg der Erkenntnis führt.

Dabei sind die Wissenschaftler weder unfehlbar (siehe Bohr und Einstein bei der Quantenmechanik) noch gottgleiche perfekte Menschen. Nach eigener Aussage hat sich Labatut bei Heisenberg und Schrödinger ein paar erzählerische Freiheiten genommen, doch er schafft es sehr gut, uns Lesern die Zeit näher zu bringen, als das was wir heute als gegeben hinnehmen, was wir in der Schule gelehrt bekommen haben, noch unvorstellbar war für die meisten Menschen. Und er beschreibt auch, wie selbst ein über Jahrhunderte gelehrtes Weltbild mit der nächsten Entdeckung obsolet werden kann.