Förderale Demokratie am Beispiel des Jahressteuergesetzes 2024

gedacht
Published

23.11.2024 19:55

Die Ampelregierung ist Geschichte, Neuwahlen stehen vor der Tür - und doch ist gestern ein Gesetz vom Bundesrat gebilligt worden, in welchem sich eine kleine Änderung versteckt, von der ich persönlich profitiere. Weil ich dies seit Monaten verfolge, will ich die Reise des Gesetzes als Exempel für Gesetzgebungsverfahren in der deutschen Förderalität aufzeigen.

Angefangen hat alles mit einer kleinen Meldung Anfang April:

[Finanzminister] Lindner plant Entlastungen bei Biersteuer für Hobbybrauer

Diese “Entlastungen” machen tatsächlich für mich einen großen Unterschied, denn sie holen mich als Hobbybrauer aus der Illegalität. Bisher galt nämlich: Bis 200l im Jahr darf ich steuerfrei zu Hause zu privaten Zwecken brauen; muss allerdings dazu dem zuständigen Hauptzollamt den Beginn der Herstellung, den Herstellungsort und die voraussichtliche Menge an Bier, die im Kalenderjahr von Ihnen erzeugt werden soll, formlos mitteilen.

Früher galt es sogar Brauprotokolle pro Brauvorgang einzureichen, was dem Hobby Bierbrauen eine Bürokratie aufbürdet, die den Spaß verderben kann. Zudem bin ich mit meinen kleinen 10l Suden definitiv unter der Jahresgrenze, weiß aber im Vorfeld nie, wie oft ich brauen werde. Also habe ich (wie die meisten anderen Hobbybrauer) einfach nichts gemeldet.

Das Jahressteuergesetz 2024 sieht nun vor, die Menge an steuerfrei zu brauendem Bier auf 500l zu erhöhen und - für mich der wichtigere Teil - streicht die Anmeldepflicht komplett aus dem Gesetz. Dies hilft auch den Steuerbehörden, die sich nicht mit Kleinstbeträgen beschäftigen müssen.

Warum hat es nun aber fast acht Monate gebraucht, bis diese kleine Änderung zum Bürokratieabbau beschlossen wurde? Das hat zum Einen mit der Förderalität in Deutschland zu tun, und ist zum Anderen darin begründet, dass die jährlichen Jahressteuergesetze aus deutlich mehr Änderungen bestehen, die zusammen gebilligt werden müssen.

Zum Glück arbeiten in der deutschen Demokratie die Institutionen relativ transparent, so dass ich diese für mich wichtige Gesetzesanpassung auf ihrem Weg durch die Institutionen verfolgen konnte.

  1. Fangen wir an mit dem aktuellen Gesetz:
    Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes (Biersteuerverordnung - BierStV)
    § 41 Herstellung durch Haus- und Hobbybrauer

    1. Bier, das von Haus- und Hobbybrauern in ihren Haushalten ausschließlich zum eigenen Verbrauch hergestellt und nicht verkauft wird, ist von der Steuer bis zu einer Menge von 2 hl je Kalenderjahr befreit. Bier, das von Hausbrauern in nicht gewerblichen Gemeindebrauhäusern hergestellt wird, gilt als in den Haushalten der Hausbrauer hergestellt.
    2. Haus- und Hobbybrauer haben den Beginn der Herstellung und den Herstellungsort dem Hauptzollamt vorab anzuzeigen. In der Anzeige ist die Biermenge anzugeben, die voraussichtlich innerhalb eines Kalenderjahres erzeugt wird. Das Hauptzollamt kann Erleichterungen zulassen.
    3. Wird die Menge nach Absatz 1 überschritten, ist eine Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 14 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 des Gesetzes gilt entsprechend.
  2. Anfang Mai hatte das für die Steuerpolitik zuständige Finanzministerium mit dem Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2024 den ersten Aufschlag gemacht. Dieser ging als Nächstes an eine große Menge an Verbänden und Fachkreise mit der Bitte um Stellungnahme. Der Entwurf ist 243 Seiten lang, enthält 43 Artikel (thematische Einzelmaßnahmen) und die für mich spannenden Punkte sind:

    Artikel 39
    Änderung des Biersteuergesetzes [TnV]

    In § 29 Absatz 2 des Biersteuergesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1870, 1908), das zuletzt durch Artikel 39 des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2294) geändert worden ist, wird die Angabe „2 hl“ durch die Angabe „5 hl“ ersetzt.
    Artikel 40
    Änderung der Biersteuerverordnung [01.01.2025]

    Die Biersteuerverordnung vom 5. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3262, 3319), die zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 24. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1838; 2023 I Nr. 109) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
    1. § 41 wird wie folgt geändert:
    1. In Absatz 1 Satz 1 wird die Angabe „2 hl“ durch die Angabe „5 hl“ ersetzt.
    2. Absatz 2 wird aufgehoben.
    3. Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 2.
    1. In § 52 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b werden die Wörter „oder § 41 Absatz 2 Satz 1“ gestrichen.

    Für mich als Nicht-Juristen war es spannend zu lesen, dass der Entwurf quasi ein Diff ist: Ein sehr formales Dokument, das sehr präzise die Änderungen angibt, aber dabei jedwede Intention ausspart.

    Einen Monat später, nachdem noch Feedback der Verbände und Fachkreise eingearbeitet wurde (u.a. kam noch ein Artikel dazu), hatte der Referentenentwurfe den Status eines Regierungsentwurfs erreicht. Auch am Artikel 40 gab es eine kleine Anpassung in Ziffer 2:

    1. In § 52 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b werden die Wörter „Absatz 5 Satz 3, entgegen § 39a Absatz 2 Satz 2 oder § 41 Absatz 2 Satz 1“ durch die Wörter „Absatz 5 Satz 3, oder entgegen § 39a Absatz 2 Satz 2“ ersetzt.
  3. Damit aus so diesem Gesetzentwurf auch wirklich ein Gesetz wird, muss es zuerst durch den Bundestag (Legislative) beschlossen werden. Da das Jahressteuergesetz auch Länderinteressen berührt, musste der Bundesrat als Vertretung der Bundesländer ebenfalls zustimmen. Doch zuerst passierte erst einmal nicht viel; erst nach der parlamentarischen Sommerpause besprach das Parlamant am 25.09. erstmals das Gesetz; der Bundesrat nahm sich derselben Sache zwei Tage später an.
    Im Bundestag folgte der ersten Lesung eine Anhörung im Finanzausschuss; und nach weiteren Anpassungen wurde des Gesetz schließlich am 18.10. angenommen.

  4. Der Bundesrat hatte ebenfalls Änderungswünsche; zum Glück aber nicht an den Biersteueranpassungen. Grundsätzlich arbeitet auch der Bundesrat mit Ausschüssen, und ebenso wie die Kollegen im Bundestag nahmen diese Stellung zum Gesetz. Der überarbeiteten Fassung des Bundestages vom 18.10. wurde dann schließlich in der Sitzung vom 22.11. zugestimmt.

Am 01.01.2025 wird das Jahressteuergesetz schließlich in Kraft treten, woraufhin ich dieses Blog um die Kategorie gebraut erweitern und folgend von meinen Brautagen berichten werde.

Es war sehr spannend für mich zu verfolgen, wie sich ein Gesetzestext auf dem Weg durch die Institutionen verändert. Es war trotz der medialen Verkündung durch Finanzminister Lindner nicht sicher, dass die für mich wichtigen Artikel auch schließlich im final beschlossenen Gesetz auftauchen. Und so vorbildlich ich die Veröffentlichung der Entwürfe des Gesetzestextes finde, fehlte mir doch die Einsicht, wer eigentlich mit welcher Intention an dem Gesetz gearbeitet hat. Am Ende bin ich glücklich, dass die Änderung beschlossen wurde und die Reste der Ampelregierung die Arbeit von vielen Monaten nicht einfach weggeworfen haben.