Baldur’s Gate 3 - Der letzte Akt

gespielt
Published

27.12.2024 15:44

Als ich kurz vor dem Release von Baldur’s Gate 3 etwas über das Entwicklungsstudio Larian Games recherchierte, las ich oft über die Hoffnung, dass sie diesmal den dritten Akt gut hinbekommen. Es scheint sich wie ein roter Faden durch die Spiele des Studios zu ziehen, dass der finale Akt nicht die Qualität der ersten Akte halten kann.

Und was soll ich sagen - ich habe das Spiel tatsächlich Anfang des Jahres für Monate beiseite gelegt. Das hatte mehrere Gründe. Der erste ist, dass sich BG3 in Akt 3 fast wie ein neues Spiel anfühlt. Akt 1 und 2 gingen fließend ineinander über; ich habe auf der Suche nach Erfahrung zum Leveln sogar noch den zweiten Verbindungsweg nachgeholt (und dabei ein paar übersehene Charaktere aufgesammelt) - die Welt fühlte sich also trotz Ladebildschirmen wie eine offene, durchlässige Welt an. Doch am Ende von Akt 2 wartet ein großer Bossfight und danach geht es endlich in das namensgebende Baldur’s Gate - ohne Option auf Rückkehr.

Und Baldur’s Gate unterscheidet sich stark von den ersten beiden Akten. Waren diese ländlich geprägt mit nur wenigen mehrgeschossigen Gebäuden (mit denen die Engine ein paar Probleme hat), so geht es nun in eine dichte Bebauung. Ohne einen übersichtlichen Stadtplan fiel mir die Orientierung in den Gebieten der Vororte, einer bebauten Brücke und schließlich dem Zentrum der Stadt deutlich schwerer. Ich hatte als Charakter-Background zwar Baldurianer gewählt, aber das half mir nicht weiter.

Zudem stand ich plötzlich mit einem fast leeren Questlog da. Fast alle Aufträge waren durch den Bossfight erledigt, so dass ich erst einmal die Quests suchen musste, die mich dem finalen Ziel näher bringen. So fühlte sich Akt 3 fast wie ein neues Spiel an und meine Motivation war erst einmal am Boden.

Dazu kamen technische Probleme. Wie schon erwähnt ist die Grafikengine nicht optimal geeignet, um Gebäude mit mehreren Etagen darzustellen und in Häuserschluchten zu navigieren. Als Spieler auf dem Mac hatte ich zudem noch spezielle Probleme: Patches wurden für das System nur mit Verspätung ausgeliefert und teilweise brachten sie Performanceprobleme, die erst Wochen später behoben wurden.

Kurzum: Es gab wenige Argumente für mich, das Spiel final durchzuspielen.

Und doch, als ich Ende September ein anderes Spiel abschloss und auf Youtube auf Viva La Dirt League stieß, musste ich plötzlich wieder an meine BG3-Party denken: Was passiert am Ende mit Gale; wird er seinen Orb los? Findet Shadowheart ihre Familie? Und kann ich die verbuggte Mörderquest in Baldur’s Gate nach dem großen Patch 7 vielleicht endlich lösen?

Die letzte Frage ließ sich schnell mit Ja beantworten, und mit etwas Hilfe von Google fand ich heraus: Während die meisten Charaktere, die auf den Straßen herumstehen, einfach nur schmückendes Beiwerk sind, ist es zwingend erforderlich, wirklich in jedes der nicht wenigen Gebäude hineinzuschauen. Denn hinter den meist verschlossenen Türen verstecken sich viele Quests, die oft für die Hauptstory oder den Abschluss der Charaktergeschichten notwenig sind.

Und plötzlich zeigte BG3 wieder seine große D&D-Stärke: Das Zusammenspiel von Charakteren, Story und Kampfsystem und die unglaubliche Freiheit in den Lösungsoptionen. Ich traf auf NPCs aus den vorangegangenen Akten und musste mit den Konsequenzen vorheriger Entscheidungen leben (oder davon profitieren); ich kämpfte in herausfordernden Bosskämpfen, und freute mich über spezielle Momente wie den Song für den Raphael-Kampf (Hitpoints 666).

Da sehe ich auch darüber hinweg, dass bei Level 12 Schluss ist mit der Charakterentwicklung. Dass ich unnötig Zeit beim Inventarmanagement und der Suche nach geeigneten Tränken oder Equipment verbringe, weil alle Icons ähnlich aussehen. Dass im Questlog nicht genügend Details stehen, wodurch ich manche Entscheidung anders traf als ich es getan hätte, wenn ich mich an im Jahr 2023 geführte Dialoge erinnert hätte.

Aber das ist Klagen auf hohem Niveau. Ja, der Wechsel in Akt 3 von Baldur’s Gate 3 ist ein großer Einschnitt im Spiel. Aber es lohnt sich, dran zu bleiben, denn sonst bringt man sich um einige sehr spezielle Momente, die sorgsam aufgebaut wurden.