Super Size Me
USA (2004) Regie: Morgan Spurlock Darsteller: Morgan Spurlock, Dr. Daryl Isaacs (Arzt für innere Medizin), Dr. Lisa Ganjhu (Ärztin für Gastroenterologie und Hepatologie), Dr. Stephen Siegel (Arzt für Kardiologie), Bridget Bennett (Ernährungsberaterin), Eric Rowley (Fitness-Trainer), Alexandra Jamieson (vegane Köchin und Morgans Freundin) und anderen Zeitgenossen, die ihm vor die Kamera liefen Offizielle Homepage
Die weltgrößte Fastfood-Kette McDonalds wirbt damit, vollwertige Mahlzeiten anzubieten und konnte erfolgreich eine Klage abweisen, in der zwei Frauen die Firma beschuldigten, die Kunden über die Auswirkungen des verkauften Essens im Unklaren zu lassen. Dies nimmt Morgan Spurlock zum Anlass, in einem medialen Selbstexperiment auszutesten, wie sich das Essen bei McDonalds wirklich auf den menschlichen Körper auswirkt. Einen Monat lang will er leben wie ein durchschnittlicher Amerikaner und ausschließlich Nahrungsmittel zu sich nehmen, die McDonalds verkauft. Zusätzlich muss er jedes Super Size (Menü mit maximaler Größe, u.a. eine 2l-Cola), welches ihm von den Verkäufern angeboten wird, annehmen…
Dokumentationen im klassischen Sinne haben ein großes Problem (bekannt auch aus der Psychologie): Wenn man etwas, sei es ein Ereignis oder ein Lebewesen, beobachtet, so wirkt man gleichzeitig darauf ein und kann nicht garantieren, dass die Dinge ihren natürlichen Lauf (also ohne die Beobachtung) nehmen bzw. die Beobachtung objektiv bleibt - denn auch das Beobachtete wirkt wiederum auf den Beobachter ein. Da die Amerikaner aber nun ein pfiffiges Volk sind, packen sie dieses Problem beim Schopf und machen das Beste daraus: Sie drehen das Prinzip einfach um und zeigen nur noch sich selber und alles was sie bewirken und verzichtem damit auch gänzlich auf Objektivität.
Besonders hervor getan hat sich damit Michael Moore, der mit seinem Millionenpublikum (Bowling for Columbine, Fahrenheit 9/11) diese Art von Doku kinotauglich machte. Gleichzeitig hat sich das Prinzip aber auch im Fernsehen durchgesetzt und so kommt es, dass sich aufgrund der fließenden Eintrittsgelder nun auch Fernsehmanipulatoren auf die große Leinwand trauen. Regisseur (und damit zwangsläufig auch Hauptdarsteller) Morgan Spurlock, der das Geld für seinen Film u.a. mit Reality Shows für MTV verdiente, wird dabei sicher nicht der letzte sein, aber immerhin kann er noch von sich behaupten, Pionierarbeit geleistet zu haben.
Genreüblich wird der Zuschauer 90 Minuten lang mit “Fakten” über das Thema bombardiert, die teilweise von sogenannten Experten dargebracht werden (wobei man nie so genau weiß, wie renommiert diese sind - die Ärzte machten z.B. nicht den besten Eindruck auf mich) und ansonsten auch sehr bildlich - oft in Tricksequenzen - dargestellt werden, um so plastisch wie möglich zu wirken (z.B. der Vergleich der Größen der Colabecher). Wie auch bei Moore kommen die “Guten”, hier alle Kritiker des Fast Food, lang und ausgiebig zu Wort (wenngleich Spurlock angenehmerweise auf die Tränendrüsennummern verzichtet), während von den “Bösen” (Lobbyist der Lebensmittelindustrie) jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird und ein nicht zu Stande gekommenes Interview mit McDonalds-Vertretern als Schuldeingeständnis gewertet wird.
Hervorzuheben ist jedoch die sehr gute Gliederung des Film. Da Spurlock erkannte, dass nur mit Fastfood-Essen keine 90 Minuten zu füllen sind (noch dazu wo der Ausgang des Experiments keine große Überraschung darstellt), reiste er in den 30 Tagen auch noch in ganz Amerika umher und nahm das Problem Fast Food in der Gesellschaft von erstaunlich vielen Seiten unter die Lupe. Diese werden alle in einem eigenen Kapitel untersucht und ermöglichen es zusammen, einen doch recht umfassenden Einblick in die Ursachen der amerikanischen Fettleibigkeit zu gewinnen. Leider passt nur ausgerechnet Spurlocks titelgebendes Experiment nicht da hinein, da er ja quasi von einen Tag auf den anderen seine kompletten Gewohnheiten umstellt und seinem Körper keine Chance gibt, sich auf die neuen Umstände einzustellen - aber es hat ja auch nie jemand behauptet, dass der Film objektiv berichten würde (so dass man immer im Hinterkopf behalten sollte, dass man als Zuschauer von der Meinung des Regisseurs überzeugt werden soll).
Trotzdem ist es sehr unterhaltsam, Morgans erste Tage bei McDonalds und danach die Arztbesuche zu verfolgen. Zwar drängt sich Spurlock nicht so in den Vordergrund wie Moore, doch schafft er es trotzdem sein Publikum zu unterhalten und an den richtigen Stellen andere Menschen zu Wort kommen zu lassen. Oftmals lässt er einfach Kommentare für sich sprechen, wenn z.B. eine Schulmädchen Pommes bestellt, weil diese aus Gemüse bestehen (!) oder der BigMac-Fetischist seine Leidenschaft erklärt. Schade nur, dass der Film ausgerechnet die Bevölkerungsgruppe erreichen wird, die sich über die Gefahren sowieso schon im Klaren ist. Dass nämlich gerade die untere Schicht der Bevölkerung besonders betroffen ist, da sie vor lauter existenzsichernden Nebenjobs um Fastfood-Mahlzeiten gar nicht herumkommt, wird leider nicht angesprochen.
Fazit: Propagandafilme sind groß im Kommen, und Morgan Spurlock zeigt uns in einem witzigen Selbstexperiment die Gefahren der Fastfood-Gesellschaft. Wenn man sich darüber im Klaren ist, was der Film bewirken soll, so kann man sich sehr gut unterhalten lassen und gewinnt darüberhinaus auch sicher ein paar neue Einblicke in die amerikanische Gesellschaft (Know your enemy).