Der seltsame Fall des Benjamin Button

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Published

01.02.2009 18:54

USA (2008) Regie: David Fincher Darsteller: Brad Pitt (Benjamin Button), Cate Blanchett (Daisy), Julia Ormond (Caroline), Taraji P. Henson (Queenie), Tilda Swinton (Elizabeth Abbott), Jason Flemyng (Thomas Button) und andere Zeitzeugen Offizielle Homepage

Was habe ich mich auf diesen Film gefreut. Eine interessante Geschichte, zwei tolle Schauspieler - das muss doch für David Fincher die Gelegenheit sein, nach dem enttäuschenden Panic Room und dem besseren, aber viele Fragen offen lassenden Zodiac wieder zu alter Form zurückzufinden.

Doch dann komme ich aus dem Film und weiß nicht was ich schreiben soll. Fast drei Stunden lang wurde mir in Episoden das Leben des Benjamin Button erzählt, der als alter Mann auf die Welt kommt und während seines Lebens immer jünger wird, bis er als Baby stirbt. Drei Stunden lang sah ich Nebencharaktere von irvingschen Ausmaßen und eine nahezu perfekte tricktechnische Rekonstruktion der die Handlung umgebenden historischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts. Doch in diesen drei Stunden habe ich mich des öfteren gefragt, warum die Erzählung denn so langatmig erfolgen muss, was mir der Film eigentlich sagen will und ob das umgekehrte Altern der Hauptfigur überhaupt Auswirkungen hat.

Benjamin Button erinnert stark an Forrest Gump, ist doch der Drehbuchautor identisch. In beiden Filmen wird die Lebensgeschichte des Helden chronologisch in Episoden erzählt, die teilweise an Eckpunkten der Geschichte spielen, jedoch immer viel Zeitgeist versprühen. Doch während Forrest Gump von seinem Humor und den vielen bekannten TV-Ausschnitten lebt, beschränkt sich Benjamin Button auf die pure Erzählung, die folgerichtig von den Hauptdarstellern getragen werden muss. Zumindest das funktioniert ganz gut, aber das Drehbuch lässt den Zuschauer nicht sehr tief in seine Hauptcharaktere hineinsehen.

So muss man sich fragen, warum dermaßen viele interessante Nebenrollen eingeführt werden, wenn diese weder auf Benjamin noch auf die Handlung einen Einfluss haben. Wir sehen, wie der junge Greis Klavierspielen lernt, doch in den restlichen zwei Stunden wird diese Eigenschaft nur noch ein einziges Mal erwähnt. Wenn überhaupt, dann dienen die Nebencharaktere der Überleitung als impulsgebendes Element oder der kurzen Auflockerung, wie die in schlechter SW-Qualität gehaltenen Aufnahmen der sechs von sieben Blitzeinschläge, die ein Mieter des Altenheims überlebt hat.

Aus dem Thema, alt gebohren zu werden und sich am Lebensende zum Baby zu entwickeln, wird zudem äußerst wenig gemacht. Zu Beginn sind es die Auseinandersetzungen mit dem Tod und am Ende die Analogie, dass wir alle wieder in Windeln landen, die die Interpretation zulassen, dass trotz der biologischen Umkehr des Lebens das Leben selber nicht viel anders abläuft. Benjamin will das nicht einsehen, doch die Welt nimmt effektiv kaum Notiz von seinem ungewöhnlichen Lebenslauf. Die rückwärts laufende Bahnhofsuhr wurde schließlich während ihres Betriebes auch akzeptiert und höchstens als Kuriosum am Rande bemerkt; die Intention ihres blinden Erbauers hat sich damit nicht erfüllt. Dass er überhaupt als Blinder Uhren baut unterstützt diese Aussage.

Fazit: Benjamin Button ist trotz seines umgekehrt ablaufendes Lebens ein normaler Mensch mit denselben Problemen, Wünschen und Freuden wie alle anderen auch. Deshalb ist dieser Film weitgehend langweilig, viel zu lang geworden und kann nur auf technischer Ebene und bei den Figuren überzeugen. Schade, da war viel Potential in der Geschichte drin.